Tatsächlich, Bern ist nicht Kopenhagen. Und wer einmal in einer niederländischen Stadt Velo gefahren ist, kennt den Unterschied zwischen lekker fietsen und einer Fahrt quer über den Berner Bahnhofsplatz. Dem globalen Trend zu lebenswerten Städten mit menschlichem Massstab folgend, will Bern nun also auch zu den Besten aufschliessen und selbst eine Velostadt werden. Es wird dabei stark um den dringend notwendigen Ausbau der Infrastruktur gehen. Um mehr und durchgehende Radstreifen und neue Radwege. Um neue Velobrücken und neue Unterführungen. Um Grüne Wellen bei den Lichtsignalanlagen. Um das Schliessen von Netzlücken und um einen hohen Sicherheitsstandard. Um mehr Abstellanlagen beim Bahnhof. Um neuartige Fahrradstrassen. Und um vieles mehr.
Eine wichtige Lektion der Verkehrsgeschichte darf dabei aber nicht vergessen gehen: weder die Diskussion um Sicherheitsdefizite und Netzlücken, noch das Bemitleiden von Velofahrerinnen als schwache und langsame Verkehrsteilnehmende, die um jeden Preis vor dem Autoverkehr zu schützen sind, stellen ein tragfähiges Fundament für den gewünschten Quantensprung dar. Worauf eine erfolgreiche Aufbaustrategie zu aller erst abstützen sollte, ist die Vermittlung eines Lebensgefühls, das auf der Höhe seiner Zeit ist. Dem die Zukunft gehört, und dem dafür der gebührende Platz in der Mitte der Gesellschaft (und in der Mitte der Städte!) zu schaffen ist. Man darf, man sollte das ruhig bei jenem Verkehrsmittel abgucken, welches das 20. Jahrhundert geprägt hat wie kein Anderes: beim Autoverkehr. Ein Blick auf eine beliebige Autowerbung verrät, wie es geht. Und ein Blick zurück zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit die autogerechte Stadt gefordert und umgesetzt wurde.
Das angebrochene 21. Jahrhundert wird geprägt von einer weltweiten Renaissance der Städte, und damit verbunden, mit der Rückkehr der urbanen Verkehrsmittel. Dem Velo kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn wie das Auto kombiniert es Flexibilität und Schnelligkeit mit individueller Ausdrucksmöglichkeit. Das muss nicht jedermanns Sache sein. Aber es ist die Sache von erstaunlich vielen Menschen, auch in Bern. Diese Stadt, mit ihren offiziellen 11 % Veloverkehr (wer weiss schon, wie das gemessen wird), und ihrem mittelmässigen Selbstvertrauen in die eigenen Veloqualitäten, produziert an diesen schönen Frühlingstagen im 2015 jedenfalls eine eindrückliche Zahl von Velofahrerinnen. Wer an der Nachfrage (und am Potenzial!) des Veloverkehrs in Bern zweifelt, ist eingeladen, sich am Morgen oder Abend am Casinoplatz, Bollwerk oder Bubenbergplatz selbst davon zu überzeugen.
Also. Bern kann besser werden, MUSS besser werden.
Vor allem aber: Bern IST eine Velostadt. Eine bereits recht gute Velostadt, die alle Voraussetzungen aufweist, eine hervorragende Velostadt zu werden. Eine Stadt mit quirligem Veloverkehr und stylishen Velofahrerinnen. Mit Velo-Kolonnen, die sich morgens in die Stadt ergiessen und abends wieder hinaus. Mit Velokulissen der Weltklasse, zum Beispiel bei Sonnenaufgang über die Kornhausbrücke, die Kirchenfeldbrücke oder über den Bundesplatz. Mit all den Zutaten, welche das Velo als urbanes Verkehrsmittel par excellence auszeichnen, und auf die nur aufgebaut werden muss!
Frühling 2015 in Bern.
Hier ist der Beweis.
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