Montag, 30. Mai 2016

Modal Split: Könizstrasse

Das Verkehrsmittel Velo deckt einen erheblichen Teil der Alltagsmobilität in Bern ab. Mit den Velos wird zum Arbeitsplatz gependelt, an Sitzungen gefahren, Expresssendungen verschickt, eingekauft und Kinder abgeholt. Oder anders gesagt: die Stadt und deren Wirtschaft mit am Leben gehalten.

Infrastrukturmassnahmen wie neue Velostreifen stellen deshalb keine "Fördermassnahme" für irgendetwas dar. Sie erfüllen nur (auf minimale Art) die Bedürfnisse eines Verkehrsmittels, für dessen Benutzung sich eine erhebliche Anzahl der Bernerinnen und Berner in Freiheit entschieden hat. Weil es schnell ist. Weil es praktisch ist. Weil es gut tut.

Die Bedürfnisse des Transportmittels Velo wurden jahrzehntelang ignoriert. In erschreckender Absenz rationaler Analysen zur Flächeneffizienz, Transportgeschwindigkeit, zur Gesundheitswirkung und zur Ökologie urbaner Verkehrsmittel wurde die „autogerechte Stadt“ gefordert und gebaut (funktioniert hat sie notabene nie).

Umso wichtiger ist es, die effektive Nachfrage nach Veloinfrastrukturen aufzuzeigen. Wir haben dies mit einer Stichprobenerhebung bei den neuen Velostreifen auf der Könizstrasse zwischen Loryplatz und Weissensteinstrasse getan. Und mit einem Modal-Split-Vergleich aller Verkehrsmittel ergänzt. Die Zahlen bestätigen: Das Velo deckt auf dieser Route einen grossen Teil der Mobilitätsnachfrage ab.



Modal Split (Fahrzeuge)

Die Zahlen beruhen auf einer Stichprobenerhebung am 23.05.2016. Dargestellt ist die Anzahl Fahrzeuge und die Fussgänger, welche die Strasse an dieser Stelle zwischen 17:00 und 18:00 in beide Richtungen benutzt haben.

Die Anzahl Velos liegt nur unwesentlich tiefer als jene der Autos. Nicht verwunderlich nimmt der ÖV in dieser Darstellung nur eine marginale Rolle ein, obwohl damit sehr viele Personen transportiert werden können. Von grossem Interesse bezüglich Effizienz der urbanen Verkehrsmittel ist deshalb auch die Anzahl transportierter Personen, dargestellt in nachfolgender Grafik.



Modal Split (Personen)

Zur Berechnung der Personenanzahl wurde beim Autoverkehr die Anzahl Autos mit dem durchschnittlichen Besetzungsgrad für den Fahrtzweck "Pendeln" multipliziert, also mit 1.1. Für Zufussgehende und Velofahrende wurden die Werte nur geringfügig erhöht (Kinder im Veloanhänger und im Kinderwagen).

Die grösste Veränderung ergibt sich beim ÖV. Anhand von ein paar Stichproben im Bus zwischen den Haltestellen Loryplatz und Fischermätteli wurde ein durchschnittlicher Besetzungsgrad von 40 Personen pro Bus während der Abendspitzenstunde angenommen. Dieser Wert ist aber ungenauer als die Zählungen bei den anderen Verkehrsmitteln.

Bezüglich ÖV zeigt sich ein weiterer interessanter Aspekt der umgesetzten Massnahmen: Die nun realisierten beidseitigen Velostreifen (anstelle einer langen Parkplatzreihe) sorgen für einen flüssigeren Verkehrsablauf zwischen Velo und Bus, da letztere die Velos nun deutlich besser überholen können.

Nun, was für ein Fazit kann aus dieser kurzen Erhebung gezogen werden? Lokal erreicht der Veloverkehr bereits heute sehr gute Werte. Das Ziel, Bern zu einer Velostadt zu machen, ist also keineswegs aus der Luft gegriffen. Was es dafür aber braucht, sind gute Routen mit hervorragender Infrastruktur. Massnahmen wie auf der Könizstrasse machen dafür einen guten Anfang.




Velo-Rushhour auf der Könizstrasse, 23.05.216

Dienstag, 24. Mai 2016

Highlights

Etwas mehr als ein Jahr ist nun velostadtbern.ch online. Ein Jahr, in dem wir uns in verschiedener Hinsicht intensiv mit dem Velo beschäftigt haben. Und in den Strassen von Bern unzählige Fotos knippsten. Als Rückblick und zum Stand der Dinge zu Beginn des Velosommers 2016 gibt`s nachfolgend ein paar Highlights aus der Sammlung. Und damit es nicht nur eine Bilderschau ist, gibt`s auch gleich ein paar Empfehlungen zum Thema mit dazu...

Inklusion




Im Copenhagenize-Index wird der Gender-Split unter den Velofahrenden zur Qualitätsbeurteilung von Velostädten herbeigezogen, das obige Bild aus dem Sommer 2015 macht daher besonders Spass. Obwohl es für eine bessere Veloinfrastruktur noch viel zu tun gibt, getrauen sich in Bern nicht nur verbissene männliche Sportler auf die Strassen, sondern breite Bevölkerungskreise.

Herausforderungen: Für die Inklusion weiterer Bevölkerungskreise, welche sich heute noch nicht sicher genug fühlen, und insbesondere von Kindern und von Senioren muss die Infrastruktur deutlich besser ausgebaut werden. Das heisst: mehr eigene Velospuren, eine bessere und wo nötig auch bauliche Separation vom schnellen motorisierten Verkehr, unterbruchsfreie Führung auch bei Kreuzungen, mehr Tempo-30-Zonen (und vieles mehr). Oder in anderen Worten: mehr Dänemark, mehr Holland!

Coolness




Ja, so sieht urbane Coolness im 2016 aus... und ja, etwas Verwegenheit gehört dazu; ohne sie wäre Werbung langweilig ;-).

Prognose: Das kommt gut, der Zeitgeist fährt Velo....

Cargobikes


Im 2016 sind die Cargobikes definitiv im Stadtbild von Bern angekommen, zu einem grossen Teil ist dies der Initiative von Carvelo zu verdanken. Seit Herbst 2015 gibt es in Bern das weltweite erste Cargobike-Sharing. An derzeit 21 Standorten können Cargobikes zu günstigen Tarifen ausgeliehen werden.

Herausforderungen: Auch für die Cargobikes muss die Infrastruktur fit gemacht werden. Im Wesentlichen geht es dabei um dieselben Sachen wie für die normalen Velos. Eine gut ausgebaute Veloinfrastruktur fördert auch die Nutzung der Cargobikes. 

E-Bikes


Die E-Bikes gehören bereits seit vielen Jahren zum Velo-Alltag in Bern. Doch die Entwicklung immer neuer, hybrider Formen geht rasant voran. Die Grenzen zwischen E-Bikes und E-Motorrädern werden sich in Zukunft wohl noch stärker verwischen.

Fallstricke: Die steigende Anzahl schneller E-Bikes (mit mehrheitlich geübten, sicheren Nutzenden), darf nicht dazu führen, die Veloinfrastruktur für die "langsameren" und unsicheren Nutzenden zu vernachlässigen. Oder die falschen Schlüsse zu ziehen; nämlich dass die Velos zukünftig mit dem MIV zusammen auf der Fahrbahn geführt werden können...

Velokultur


Welche Bedeutung das Velo im Alltag der BernerInnen einnimmt, lässt sich immer wieder wunderbar beim Marzili beobachten. Aber auch an Quartier- und Stadtfesten wie zum Beispiel am Buskers, am Lorrainefest oder an Spielen von YB oder vom FC Breitenrain gab es eindrückliche Ansammlungen von Velos.

Daraus lernen: Es gibt bereits eine starke Velokultur in Bern. Darauf lässt sich aufbauen. Keine Opferrolle einnehmen, sondern auf die starke Nachfrage und den dringend notwendigen weiteren Ausbau verweisen. Und natürlich: Velofahren und geniessen! ;-)