Montag, 31. Oktober 2016

Cycle Chic Manifest Bern

Eine gute Velostadt braucht eine gute Velokultur. Denn Velofahren ist nicht nur praktisch und schnell, sondern trägt auch wesentlich zur Lebensqualität und zum Erscheinungsbild einer Stadt bei. Auf unserem Lieblingsblog Copenhagenize.com wurde bereits 2008 das Cycle Chic-Manifest veröffentlicht. Es gefällt uns nicht schlecht, auch wenn es vielleicht etwas übers Ziel hinausschiesst. 

Wir haben deshalb das Manifest auf Bern umgemünzt und um unsere eigenen Ansichten ergänzt. Hier ist also das Cycle Chic-Manifest, Version Bern 2016:
  1. Ich wähle stets Stil vor Geschwindigkeit.
  2. Ich fahre mit Anmut, Eleganz und Würde.
  3. Ich wähle ein Fahrrad, das meine Persönlichkeit und meinen Stil reflektiert.
  4. Ich betrachte mein Fahrrad als Transportmittel und Bereicherung meines persönlichen Stils, werde aber niemals erlauben, dass es mir die Schau stiehlt.
  5. Ich respektiere die Verkehrsregeln und trage mit meinem Verhalten zu einer angenehmen und respektvollen Atmosphäre im öffentlichen Raum bei.
  6. Ich drängle nicht, da ich weiss, dass es auf die paar Sekunden sowieso nicht ankommt.
  7. Ich gebe stets Acht auf Fussgänger und lasse ihnen wo immer nötig den Vortritt.
  8. In Übereinstimmung mit der internationalen Fahrradkultur gebe ich Zeichen beim Abbiegen und Bremsen.
  9. Regenhosen und den Helm ziehe ich nach dem Velofahren gleich aus; niemals würde ich damit in Restaurants, Läden oder an Sitzungen gehen.
  10. Ich geniesse wo immer möglich das Freiheitsgefühl beim Velofahren, spüre die Sonne im Gesicht und den Fahrtwind in den Haaren.
Wir haben keinen Zweifel, dass sich eine wachsende Anzahl der Berner VelofahrerInnen dem Cycle Chic verpflichtet fühlt und unsere Stadt damit bereichert.









Freitag, 21. Oktober 2016

Ein Velostandard wie in Holland ist beim Burgernziel möglich

Das Burgernziel ist der Dreh- und Angelpunkt im Südosten Berns. Die Veloqualität dieses Knotens definiert in hohem Mass den Velostandard der Gesamtstadt. Weder mit dem heutigen unfallbehafteten Grosskreisel noch mit einem neuen alten Wankdorfplatz können die Ziele der Velo-Offensive - sichere und attraktive Velorouten für Alle - erreicht werden.

Der angedachte Umbau in eine lichtsignalgesteuerte Kreuzung eröffnet aber die Möglichkeit, endlich eine hohe Qualität und Sicherheit für den Veloverkehr zu schaffen. Dafür muss  - sprichwörtlich  - nicht das Rad neu erfunden werden, es reicht ein Blick in die Velovorbilder Dänemark und Holland. Die dort in solchen Fällen angewendete konsequente Separierung des Veloverkehrs schafft zudem Spielräume für den motorisierten Verkehr und den öV.

Das übliche Argument - es hat zu wenig Platz für eine gute Velolösung - zählt am Burgernziel definitiv nicht. Der öffentliche Raum beim heutigen Burgernzielkreisel hat einen Durchmesser von rund 60m, und auch die angrenzenden Strassenräume beim Ostring und bei der Thunstrasse weisen Breiten von rund 30m auf. Das ist genug, um zwischen Thunplatz und Freudenbergerplatz eine Weltklasse-Velolösung à la Kopenhagen oder Amsterdam zu realisieren. Und beim Burgernziel selbst kann die Veloführung ganz einfach in den überaus grosszügigen Seitenräumen addiert werden.

Läge das Burgenziel in Amsterdam, könnte die Lösung so aussehen:


Die Kopenhagener Lösung würde etwa so aussehen:














Selten war in Bern die Gelegenheit so günstig, ein Velohindernis ersten Ranges in eine vorbildliche Lösung zu verwandeln. Nutzen wir sie!

Weitere Infos zur Idee "Burgernziel in Holland" sind auf diesem Fact-Sheet zusammengefasst.

Freitag, 24. Juni 2016

Velozahlen 2016

Nur was man zählt, zählt auch in der Planung! Pro Velo Bern schliesst eine Wissenslücke und macht den Veloverkehr in Bern sichtbar: Am 7. Juni 2016 wurden zur Morgen- und Abendspitzenstunde auf den wichtigen Zufahrten zur Innenstadt die Velos gezählt. Zusätzlich zu den automatischen Zählanlagen konnten so wichtige Daten gewonnen werden.

Was wir täglich erleben (und auf vielen Bildern festgehalten haben), lässt sich jetzt auch in Zahlen beschreiben. Der Veloverkehr in Bern ist kein Randphänomen, sondern deckt einen erheblichen Teil der urbanen Mobilität ab.

Auf den wichtigen Velorouten zur Innenstadt erreichen die Werte im Querschnitt (in Ein- und Auswärtsrichtung) zwischen 500 und 1`000 Velos pro Stunde. Zur Morgenspitzenstunde zwischen 07:00 und 08:00 wurden rund 3`000 Velos auf dem Weg in die Innenstadt erfasst. Hochgerechnet auf den ganzen Tag fuhren am 7. Juni 2016 somit rund 25`000 Velo in die Innenstadt hinein.

Die detaillierten Resultate gibt es hier:



© Pro Velo Bern / Grafik: Michael Liebi


Oder in dieser Darstellung geografisch aufgeschlüsselt (Velos pro Stunde in beide Richtungen):




© Pro Velo Bern / Grafik: Michael Liebi


Auch die Velo-Nachfrage an den grossen Verkehrsknoten ist eine wichtige Planungsgrundlage. Gerade dort, wo es am nötigsten ist, bestehen heute Lücken im Veloroutennetz.





© Pro Velo Bern / Grafik: Michael Liebi

Was natürlich auch von Interesse ist: wie stehen nun die Velozahlen im Verhältnis zum motorisierten Individualverkehr (MIV), zum ÖV und zum Fussverkehr? Zum MIV und zum ÖV liegen auf den meisten Strassen Zahlen vor, allerdings zu verschiedenen Stichtagen. Der direkte Vergleich ist daher mit Vorsicht zu behandeln. Einige Grössenordnungen können trotzdem abgeschätzt werden:

  • Gemessen in Personenfrequenzen ist der ÖV wohl auf allen Zufahrten der Verkehrsträger Nr. 1
  • Auf der Lorrainebrücke erreicht der Veloverkehr an guten Tagen wohl immerhin um die Hälfte des MIV-Wertes
  • Auf der Kirchenfeld- und Kornhausbrücke übertrifft der Veloverkehr den MIV zumindest in der Velosaision deutlich


Wer macht Platz für den Veloverkehr? © Bild: Pro Velo Bern 


Montag, 30. Mai 2016

Modal Split: Könizstrasse

Das Verkehrsmittel Velo deckt einen erheblichen Teil der Alltagsmobilität in Bern ab. Mit den Velos wird zum Arbeitsplatz gependelt, an Sitzungen gefahren, Expresssendungen verschickt, eingekauft und Kinder abgeholt. Oder anders gesagt: die Stadt und deren Wirtschaft mit am Leben gehalten.

Infrastrukturmassnahmen wie neue Velostreifen stellen deshalb keine "Fördermassnahme" für irgendetwas dar. Sie erfüllen nur (auf minimale Art) die Bedürfnisse eines Verkehrsmittels, für dessen Benutzung sich eine erhebliche Anzahl der Bernerinnen und Berner in Freiheit entschieden hat. Weil es schnell ist. Weil es praktisch ist. Weil es gut tut.

Die Bedürfnisse des Transportmittels Velo wurden jahrzehntelang ignoriert. In erschreckender Absenz rationaler Analysen zur Flächeneffizienz, Transportgeschwindigkeit, zur Gesundheitswirkung und zur Ökologie urbaner Verkehrsmittel wurde die „autogerechte Stadt“ gefordert und gebaut (funktioniert hat sie notabene nie).

Umso wichtiger ist es, die effektive Nachfrage nach Veloinfrastrukturen aufzuzeigen. Wir haben dies mit einer Stichprobenerhebung bei den neuen Velostreifen auf der Könizstrasse zwischen Loryplatz und Weissensteinstrasse getan. Und mit einem Modal-Split-Vergleich aller Verkehrsmittel ergänzt. Die Zahlen bestätigen: Das Velo deckt auf dieser Route einen grossen Teil der Mobilitätsnachfrage ab.



Modal Split (Fahrzeuge)

Die Zahlen beruhen auf einer Stichprobenerhebung am 23.05.2016. Dargestellt ist die Anzahl Fahrzeuge und die Fussgänger, welche die Strasse an dieser Stelle zwischen 17:00 und 18:00 in beide Richtungen benutzt haben.

Die Anzahl Velos liegt nur unwesentlich tiefer als jene der Autos. Nicht verwunderlich nimmt der ÖV in dieser Darstellung nur eine marginale Rolle ein, obwohl damit sehr viele Personen transportiert werden können. Von grossem Interesse bezüglich Effizienz der urbanen Verkehrsmittel ist deshalb auch die Anzahl transportierter Personen, dargestellt in nachfolgender Grafik.



Modal Split (Personen)

Zur Berechnung der Personenanzahl wurde beim Autoverkehr die Anzahl Autos mit dem durchschnittlichen Besetzungsgrad für den Fahrtzweck "Pendeln" multipliziert, also mit 1.1. Für Zufussgehende und Velofahrende wurden die Werte nur geringfügig erhöht (Kinder im Veloanhänger und im Kinderwagen).

Die grösste Veränderung ergibt sich beim ÖV. Anhand von ein paar Stichproben im Bus zwischen den Haltestellen Loryplatz und Fischermätteli wurde ein durchschnittlicher Besetzungsgrad von 40 Personen pro Bus während der Abendspitzenstunde angenommen. Dieser Wert ist aber ungenauer als die Zählungen bei den anderen Verkehrsmitteln.

Bezüglich ÖV zeigt sich ein weiterer interessanter Aspekt der umgesetzten Massnahmen: Die nun realisierten beidseitigen Velostreifen (anstelle einer langen Parkplatzreihe) sorgen für einen flüssigeren Verkehrsablauf zwischen Velo und Bus, da letztere die Velos nun deutlich besser überholen können.

Nun, was für ein Fazit kann aus dieser kurzen Erhebung gezogen werden? Lokal erreicht der Veloverkehr bereits heute sehr gute Werte. Das Ziel, Bern zu einer Velostadt zu machen, ist also keineswegs aus der Luft gegriffen. Was es dafür aber braucht, sind gute Routen mit hervorragender Infrastruktur. Massnahmen wie auf der Könizstrasse machen dafür einen guten Anfang.




Velo-Rushhour auf der Könizstrasse, 23.05.216

Dienstag, 24. Mai 2016

Highlights

Etwas mehr als ein Jahr ist nun velostadtbern.ch online. Ein Jahr, in dem wir uns in verschiedener Hinsicht intensiv mit dem Velo beschäftigt haben. Und in den Strassen von Bern unzählige Fotos knippsten. Als Rückblick und zum Stand der Dinge zu Beginn des Velosommers 2016 gibt`s nachfolgend ein paar Highlights aus der Sammlung. Und damit es nicht nur eine Bilderschau ist, gibt`s auch gleich ein paar Empfehlungen zum Thema mit dazu...

Inklusion




Im Copenhagenize-Index wird der Gender-Split unter den Velofahrenden zur Qualitätsbeurteilung von Velostädten herbeigezogen, das obige Bild aus dem Sommer 2015 macht daher besonders Spass. Obwohl es für eine bessere Veloinfrastruktur noch viel zu tun gibt, getrauen sich in Bern nicht nur verbissene männliche Sportler auf die Strassen, sondern breite Bevölkerungskreise.

Herausforderungen: Für die Inklusion weiterer Bevölkerungskreise, welche sich heute noch nicht sicher genug fühlen, und insbesondere von Kindern und von Senioren muss die Infrastruktur deutlich besser ausgebaut werden. Das heisst: mehr eigene Velospuren, eine bessere und wo nötig auch bauliche Separation vom schnellen motorisierten Verkehr, unterbruchsfreie Führung auch bei Kreuzungen, mehr Tempo-30-Zonen (und vieles mehr). Oder in anderen Worten: mehr Dänemark, mehr Holland!

Coolness




Ja, so sieht urbane Coolness im 2016 aus... und ja, etwas Verwegenheit gehört dazu; ohne sie wäre Werbung langweilig ;-).

Prognose: Das kommt gut, der Zeitgeist fährt Velo....

Cargobikes


Im 2016 sind die Cargobikes definitiv im Stadtbild von Bern angekommen, zu einem grossen Teil ist dies der Initiative von Carvelo zu verdanken. Seit Herbst 2015 gibt es in Bern das weltweite erste Cargobike-Sharing. An derzeit 21 Standorten können Cargobikes zu günstigen Tarifen ausgeliehen werden.

Herausforderungen: Auch für die Cargobikes muss die Infrastruktur fit gemacht werden. Im Wesentlichen geht es dabei um dieselben Sachen wie für die normalen Velos. Eine gut ausgebaute Veloinfrastruktur fördert auch die Nutzung der Cargobikes. 

E-Bikes


Die E-Bikes gehören bereits seit vielen Jahren zum Velo-Alltag in Bern. Doch die Entwicklung immer neuer, hybrider Formen geht rasant voran. Die Grenzen zwischen E-Bikes und E-Motorrädern werden sich in Zukunft wohl noch stärker verwischen.

Fallstricke: Die steigende Anzahl schneller E-Bikes (mit mehrheitlich geübten, sicheren Nutzenden), darf nicht dazu führen, die Veloinfrastruktur für die "langsameren" und unsicheren Nutzenden zu vernachlässigen. Oder die falschen Schlüsse zu ziehen; nämlich dass die Velos zukünftig mit dem MIV zusammen auf der Fahrbahn geführt werden können...

Velokultur


Welche Bedeutung das Velo im Alltag der BernerInnen einnimmt, lässt sich immer wieder wunderbar beim Marzili beobachten. Aber auch an Quartier- und Stadtfesten wie zum Beispiel am Buskers, am Lorrainefest oder an Spielen von YB oder vom FC Breitenrain gab es eindrückliche Ansammlungen von Velos.

Daraus lernen: Es gibt bereits eine starke Velokultur in Bern. Darauf lässt sich aufbauen. Keine Opferrolle einnehmen, sondern auf die starke Nachfrage und den dringend notwendigen weiteren Ausbau verweisen. Und natürlich: Velofahren und geniessen! ;-)

Dienstag, 8. März 2016

verleiht Flügel...






(Grafik: Elmar Brülhart / Metron)

Die Schnelligkeit des Velos im städtischen Verkehr ist unbestritten. Die gesundheitsfördernde Wirkung von regelmässigen Velofahrten auch. Und die Velo-Offensive soll dem Velo ja ganz generell Flügel verleihen... Fehlt nur noch ein passendes Logo (wann kommt das Offizielle?). Hier unser zweiter Beitrag.


Freitag, 12. Februar 2016

Auf dem gelben Teppich zur Velostation...

Seit wenigen Wochen lädt eine neue breite und eindeutige Markierung zur Velostation Milchgässli ein. Ab dem Bahnhofplatz ist nun die Veloführung für alle sichtbar - Fussgänger, Lieferwagen und sonstige K&R-Lustige, die die Bahnhofplattform nicht gefunden haben. Somit wäre eine wichtige Voraussetzung erfüllt, dass die Durchfahrt für die auf-den-Zug-eilenden Velofahrenden immer frei bleibt. Wie gross die Wirkung tatsächlich ist, wird sich noch zeigen.

Und was meinen die Hauptbetroffenen? Ich persönlich finde es toll und fahre schön zwischen den Linien... für andere scheint die Wunschlinie anders zu verlaufen...

Ein Teil der neuen Markierung

Eleganter Beinschwung, aber nicht auf der Markierung unterwegs - fühlt er sich als Lieferwagen wohler?

Sonntag, 7. Februar 2016

Winter Cycling



Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, an dieser Stelle etwas übers Velofahren im Winter zu schreiben. Über die Verhältnisse in Bern, und die prioritäre Schneeräumung der Velorouten in Kopenhagen. Doch statt im Schnee zu radeln, sitzen die BernerInnen Anfang Februar mittags zum Espresso draussen an der Sonne. 

Dass die schneearmen, teils fast schon mediterran anmutenden Winter immer mehr zum Normalfall werden, ist eigentlich eine schlechte Nachricht. Dass Velofahren dadurch angenehmer wird, hingegen eine Gute.

Impressionen vom "Winter" 2015/2016: