Sonntag, 7. Mai 2017

Learning from... Winterthur

Die lohnenswerte Ausstellung "Bike Design City" hat uns am Wochenende nach Winterthur geführt. Mit einem Modal-Split-Anteil des Veloverkehrs von 13% liegt Winterthur vor Bern und zählt damit zu den besseren Velostädten in der Schweiz. Wir haben die Gelegenheit genutzt, eine typische Hauptstrasse in Winterthur zu besichtigen, nämlich die Schaffhauserstrasse/Lindstrasse zwischen der Altstadt und Winterthur-Ohringen. Was lässt sich aus Winterthur lernen, was besser nicht?

1) Radwege (baulicher Schutz gegenüber der Fahrbahn)




Entlang der ganzen Achse fällt auf, dass der Grad an Separation zwischen den Velos und dem MIV deutlich höher ist, wie vielerorts sonst in der Schweiz üblich. Besonders sinnvoll ist dies in Steigungen, an denen die Geschwindigkeitsdifferenzen noch höher ausfallen als sonst. In der Bergab-Richtung ist im vorliegenden Fall dagegen ein Radstreifen markiert, was aufgrund der zur Verfügung stehenden Breite vermutlich sinnvoll ist. Zufall oder nicht, an diesem Samstagnachmittag waren auffällig viele Eltern mit ihren Kindern per Velo unterwegs. Kann es sein, dass das Sicherheitsgefühl mit diesen Lösungen tatsächlich höher ist?

2) Roteingefärbte Radstreifen (ziemlich flächendeckend)









Wo keine bauliche Separation möglich oder sinnvoll ist, zum Beispiel bei Kreuzungen und Einmündungen, wird das Velo auf Radstreifen geführt. Diese sind (mit etwas Interpretation der entsprechenden Norm) nicht nur in Konfliktbereichen, sondern recht flächendeckend markiert. Damit wird die Veloführung überall gut verdeutlicht (ein Ansatz, der sich übrigens auch im Zentrum von Luzern findet).

3) Konfliktfreie Velo-Phasen an Kreuzungen




Ein Vorteil der Radwege ist, dass sie bei Kreuzungen konfliktfrei am rechten Rand der Fahrbahn bleiben können (und damit übrigens auch konfliktfreies Rechtsabbiegen ermöglichen). Dafür müssen sie per Lichtsignal vom rechtsabbiegenden MIV-Strom getrennt werden. Im vorliegenden Fall werden die Velos detektiert und scheinen ihre Grünphase recht schnell zu kriegen. Und selbst wenn die Lösung längere Wartezeiten als die Führung auf der Fahrbahn mit sich bringen würde: der Gewinn an Sicherheit und Komfortgefühl wiegt das bei weitem auf! Die Alternative dazu ist nämlich ein Radstreifen, der vom rechtsabbiegenden MIV-Strom überkreuzt wird.

4) Separate Radwege am Stadtrand

In der Nähe des Autobahnanschlusses Winterthur-Nord wird der Veloverkehr komplett getrennt vom MIV geführt. Die Gruppe Pfadis scheint es an diesem Nachmittag zu schätzen.



Als schwierig stellt sich dann aber die Querung der Autobahnzufahrt heraus. Insgesamt müssen 4 Fahrbahnen des MIV überquert werden, mit wechselnden Fahrrichtungen. Unsere Einschätzung: Konfliktträchtig und nicht geeignet für ungeübte Velofahrende.



Was ist die Alternative? Der Radstreifen auf der Fahrbahn, der von den Vortrittsverhältnissen auf der Hauptachse profitiert? Wohl eher auch nicht, damit holt man kaum neue Velofahrende ab. Die Lösung findet sich auf der gegenüberliegenden Autobahnzufahrt:



Die lichtsignalgeregelte Zu- und Abfahrt ist nicht nur wesentlich platzsparender, sondern ermöglicht auch eine konfliktfreie Führung des Velo-, und Fussverkehrs durch eigene Grünphasen. Auch hier gilt: in der Tendenz führt dies zu längeren Wartezeiten für das Velo, als dies mit einem Radstreifen auf der Hauptfahrbahn der Fall wäre. Will man das? Es kommt auf die Ziele drauf an. Wenn die Schweiz den Veloverkehr wirklich fördern will, lautet die Antwort für uns klar ja.

5) Das Velo gehört (nicht immer) auf die Fahrbahn




Das Velo gehört vor allem dort hin, wo eine gute Lösung gefunden werden kann. Und die kann je nach Abschnitt verschieden sein. Entscheidend scheint uns, dass die Verknüpfungen der verschiedenen Abschnitte gut gelöst sind. Das ist im vorliegenden Fall mal besser, mal schlechter gelöst. Ingesamt kann aber ein einigermassen durchgehender Standard fürs Velo angeboten werden.

Die Besichtigung der Schaffhauserstrasse hat uns dieser Hinsicht zeitweilig etwas an die Niederlanden erinnert. Auch dort sind teilweise ganz unterschiedliche Führungsformen in kurzer Abfolge in Betrieb. Aber der rote Faden zieht sich immer durch, und die Qualität ist stets sehr hoch. Wir schätzen diesen pragmatischen Ansatz wichtiger ein als eine absolut konsistente Lösung. Die Schaffhauserstrasse und vor allem die Lindstrasse weisen in dieser Hinsicht natürlich noch Verbesserungspotenzial im Standard der Veloführung auf. Die Stossrichtung stimmt aber.

und last but not least: Die Ausstellung.

Geboten wird ein guter Mix aus Stadtplanung, Technik und stylishen Fahrrädern. Besuchen! :-)




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